Es war einmal ein Märchenbruder, der hieß Grimm. Und zwar nicht Jacob oder Wilhelm, deren Namen uns sofort ins Gedächtnis springen. Nein, wir widmen uns dem fast vergessenen Bruder, dem ‹fremden› Ferdinand. Ein wunderbarer Geschichtenerzähler, in dessen Sagen es voll fantastischem Zauber, rachsüchtiger Zwerge, Geistern und Riesen wimmelt. In seiner Familie jedoch galt er als das schwarze Schaf; als ‹Faulpelz› und ‹Fensterpfeifer› beschrieben ihn seine Brüder. Dabei half er Jacob und Wilhelm bei der Sammlung und Veröffentlichung ihrer Werke. Er selber publizierte unter Pseudonym. An Weihnachten 1810 kam es zu einem wahren Familienskandal: Ferdinand Grimm outet sich – wahrscheinlich mit großer Inszenierung vor versammelter Festgemeinschaft – als homosexuell.
Von der Familie verstoßen, blieb das Verhältnis unter den Brüdern Zeit ihres Lebens schwierig. Lediglich Jacob besuchte ihn noch einmal am Sterbebett und rettete dessen Aufzeichnungen. Die meisten davon schlummern heute im Archiv. Erstmalig stehen mit den herausragenden Schauspielern August und Johannes Zirner Vater und Sohn gemeinsam auf unserer Bühne, lesen Märchen und Sagen Ferdinands sowie Briefe zwischen den Brüdern.
Weltweit gefeiert für ihre Interpretationen deutscher Volkslieder widmet sich das Edgar Knecht Trio den Texten Ferdinands, treten mit seinen Worten in Dialog und bilden musikalische Gegenpole. Mitten auf der deutschen Märchenstraße sind wir zu Gast, unweit der Weser, im Stift Fischbeck. Neben der Stiftskirche gehören das historische Ensemble der Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie idyllische Gärten zur Anlage. Seit dessen Gründung 955 bilden Frauen an diesem Ort eine christliche Lebens- und Arbeitsgemeinschaft und tragen zur Erhaltung des Stifts bei. Auch, indem sie ihre Geschichte und die des Stifts in Gesprächen und Erzählungen lebendig halten. Welch passender Ort, um sich den Erzählungen des vergessenen Grimms zu widmen und in sein viel zu unbekanntes Leben zu tauchen.