Annelise Silberbach wurde 1903 in Dortmund geboren. Ihre Eltern betrieben dort ein Bekleidungsgeschäft für gehobene Ansprüche. Die Tochter studierte Buchbinderei und Zeichnen an der Kunstgewerbeschule in München. Mir ihrem Bruder reiste sie nach Nordafrika, wo erste Fotos mit einem geliehenen Apparat entstanden. Sie wurde zunächst Assistentin im Atelier von Leon von Kaenel in Essen und ging 1924 als Meisterschülerin von Franz Fiedler nach Dresden. Dort lernte sie den Bildhauer Sigmund Kretschmer kennen, den sie 1928 heiratete. Die beiden bekommen vier Kinder, um die er sich überwiegend kümmert, während seine Frau 1929 in Dortmund im Geschäftshaus ihrer Eltern ein eigenes Atelier eröffnet. Das Atelier, das 1944 durch Bomben zerstört wurde und das sie 1950 neu eröffnete, betreibt sie, zuletzt gemeinsam mit ihrer Tochter Christiane, bis in die 1970er-Jahre. Ihr großformatiges Porträtfoto aus der Froschperspektive bildet den Abschluss der Ausstellung.
Kretschmer hatte sich auf Porträtfotografie konzentriert, war vom Bauhaus und der Neuen Sachlichkeit beeinflusst. Diese Richtung verfolgte auch ihr Lehrer Fritz Fiedler. Mit einem Selbstporträt und Porträts ihrer Eltern und Geschwister startet diese Ausstellung. Aus den frühen 1920er-Jahren stammen auch die ersten Fotos, die Annelise Kretschmer auf einer Reise mit ihrem Bruder nach Nordafrika machte. Aus dieser Zeit stammen auch Porträtfotos von der Textilkünstlerin Irma Goecke oder von Florence Henri, einer der bekanntesten Fotografinnen jener Zeit, die am Bauhaus bei Lazlo Moholy-Nagy studiert hatte. Kretschmer sucht ungewöhnliche Perspektiven und Bildausschnitte. Die „Frau mit Hut“ zeigt sie mit einer leichten Untersicht von hinten und lenkt den Blick auf ein Renaissance-Porträt im Hintergrund.
Aus der Nachkriegszeit zeigt die Ausstellung vor allem Porträtaufnahmen von Industriellen und Künstlern. Darunter sind der VEW-Direktor Friedrich Stiegler (Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen), Dr. Leonie Reygers, die Direktorin des Museums am Ostwall in Dortmund, der bekannte Fotograf Albert Renger-Patzsch oder der Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler. Zeit ihres Lebens blieb Annelise Kretschmer bei der Schwarz-Weiß-Fotografie.